Text: Hans-Werner Fotos: Hans-Werner und Lena
Die letzten Monate hatte uns die Corona-Pandemie voll „im Griff“. Wohnmobil-Touren und geplante Veranstaltungsbesuche fielen aus. Mit den ersten Lockerungen, die uns eine eingeschränkte Nutzung der Wohnmobil-Stellplätze und den Besuch von Restaurants und Biergärten, unter Einhaltung der Pandemie-Bestimmungen, erlauben, wollen auch wir wieder „etwas anderes“ sehen. Kurzerhand entschließen wir uns für den Besuch der hessischen Fachwerkstädte: Wetzlar, Herborn und Dillenburg. Insgesamt haben wir 163 km zurück gelegt.
Freitag, 15.05.2020
Am Spätnachmittag packen wir schnell noch die paar Dinge in unser Wohnmobil, die wir für das Wochenende benötigen, und schon geht es über die B49 nach Wetzlar. Unser Ziel ist der Stellplatz „Auf der Lahninsel“ mit V+E (Gebühr EUR 8,00/24. Std. incl. V+E und Strom). Der Stellplatz liegt verkehrsgünstig und ist Teil eines Großparkplatzes am Rande der Altstadt.
Direkt bei dem Parkplatz befindet sich am Ufer der Lahn ein Biergarten, der sogar offen ist. Wir können uns schon gar nicht mehr erinnern, wann und wo wir das letzte Mal so in der Öffentlichkeit draußen gesessen haben. Es muss wohl Anfang Februar auf Malta gewesen sein. Auf jeden Fall genießen wir es, jetzt und heute! Eine besondere Stimmung kommt noch durch die langsam untergehende Sonne auf.
Anschließend spazieren wir noch ein wenig durch die Gassen der Wetzlarer Altstadt, ohne ein festes Ziel vor Augen zu haben.
Auf dem Domplatz steht bei einem ital. Restaurant ein großes Wohnmobil. Die Rotweinflasche steht auf dem Tisch. Ich nehme mal an, dass auf Grund der Pandemiebestimmungen die Reservierung eines der reduzierten Tische nicht mehr geklappt hat, und man sich auf ein Essen „außer Haus“ geeinigt hat.
Bei der Rückkehr zum Stellplatz hat der Biergarten wieder geschlossen. Auf dem Parkplatz ist Ruhe eingekehrt.
Tagesstrecke: 48 km
Samstag, 16.05.2020
Wir haben gut und ruhig geschlafen. Leider haben wir beim Packen den Kaffee vergessen mitzunehmen. So frühstücken wir heute mal mit schwarzem Tee.
Danach zieht es uns wieder in die Altstadt. Bei strahlendem Sonnenschein möchten wir auf den Spuren des jungen Praktikanten Johann Wolfgang Goethe, der am 10.Mai 1772 nach Wetzlar kam, durch die Gassen wandeln. Wetzlar war zu dieser Zeit die „Hauptstadt des Rechts“, denn ab 1690 war dort der Sitz des obersten Gerichtes des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das Reichskammergericht. Von 1756 bis zur Auflösung 1806 diente das Gebäude als Kanzlei des Reichskammergerichtes. Dazu kommen wir aber später. Leider sind die Museen aufgrund „Corona“ noch geschlossen.
Über die Güllgasse erreichen wir den Schillerplatz. Im Haus Nr. 5 wohnte Karl Wilhelm Jerusalem, den Goethe in seiner Leipziger Studienzeit kennen gelernt hatte. Jerusalem erschoss sich aus einer unglücklichen und ausweglosen Liebe heraus am 30. Oktober 1772 in diesem Haus. Goethe nahm in als sein literarisches Vorbild für den Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“.
Kurz dahinter erreichen wir die wohltuende Ruhezone des Ludwig-Erk-Platzes.
Von nun an geht es bergauf zum Reichskammergerichtsmuseum, in dem unter anderem Goethes eigenhändige Eintragung in die Praktikantenmatrikel des Gerichtes vom 25. Mai 1772 als Faksimile ausgestellt ist, …
… und daneben zum Palais Papius in der Kornblumengasse. Der Assessor Johann Hermann Franz von Pape (1717 – 1793) taucht als „Sapupi“ in Goethes „Götz von Berlichingen“ auf.
Durch die wunderschönen Avignon-Anlage gehen wir immer höher entlang der Stadtmauer bis zum Säuturm (im Mittelalter noch Schneiderturm). Die Handwerkerzünfte hatten früher bestimmte Teile der Stadtmauer in Ordnung zu halten. Der Säuturm ist der letzte erhaltene Wachturm der Stadtmauer.
Mit einem kleinen Schlenker durch die Jäcksburg und die Engelsgasse mit schön gestalteten Häusern, …
… erreichen wir den höher liegenden Kornmakt. Im Haus Kornmarkt 7 hatte Goethe ein Zimmer bei dem Kammergerichtsprokurator Georg Wilhelm von Ludolf. Nebenan im Kornmarkt 5 gab es im Gasthaus „Zum Römischen Kaiser“ noch einen Ballsaal und ein Theater. Außerdem wohnte dort im Eckhaus zur Schmiedgasse noch eine Großtante Goethes, die Hofrätin Susanne Maria Cornelia Lange geb. Lindheimer. Sie vermittelte ihm die Bekanntschaft zur Familie Heinrich Adam Buff.
Von nun an gings bergab (Woher hab ich das Textstück?) zum „Lottehaus“. Dies war seit 1285 eine Niederlassung der Deutschordensritter und diente als Verwaltung für die umliegenden Güter und auch als Herberge für die durchreisenden Ritter. 1753 wurde im ehemaligen Verwalterhaus Charlotte Buff geboren, Goethes „Lotte“ aus den „Leiden des jungen Werthers“.
Durch die Lotte- und die Schmiedgasse ereichen wir den Domplatz. Heute ist Markttag. Zu Goethes Zeiten stand hier im Sommer 1772 als linkes Eckhaus das Gasthaus „Zum Kronprinzen“, in dem Goethe mit anderen jungen Juristen seinen Mittagstisch einnahm. In dieser „Rittertafel“ hatte er den Ritternamen „Götz der Redliche“.
Zurück am Stellplatz packen wir, entsorgen und weiter geht es nach Herborn auf den kostenlosen Stellplatz City-Parkplatz/Schießplatz mit V+E an der Dill. Er ist wieder ein Teil eines Großparkplatzes und die Stellplätze liegen entlang der Uferwiesen.
Die Mittagszeit ist fast schon vorbei, deshalb gehen wir schnell in die nahe Pizzeria und verköstigen uns mit Pizza und Salat. Nach der Stärkung haben wir nun genug Zeit, um uns die historischen Fachwerkhäuser und das Schloß der mittelhessischen Stadt anzuschauen.
Der erste Eindruck zeigt in der Gestaltung der Bausubstanz noch immer die positiven Auswirkungen, die eine Ausrichtung des Hessentages (Mai 2016) mit sich bringt. Ansonsten ist die schöne Altstadt an einem Samstagnachmittag bis auf wenige Ausnahmen fast wie ausgestorben.
Auf dem Weg zum Schloß passieren wir die Gebäude der ehemaligen Hohen Schule, die 1584 vom Grafen Johann VI. von Nassau-Dillenburg gegründet und bis 1817 als universitätsähnliche Hochschule geführt wurde. Sie erhielt aber trotz einer theologischen Fakultät nie das kaiserliche Privileg einer „Universität“.
Das theologische Seminar der evangelischen Landeskirche Hessen befindet sich heute im Schloß. Aufgrund der Corona-Pandemie durften wir uns das Schloß aber nur von außen anschauen. Wieder unten, gehen wir zum Wohnmobil zurück und verziehen uns hinter das Wohnmobil auf die Wiese.
Da hier nicht so viel los ist, entschließen wir uns nach Dillenburg auf den kostenlosen Stellplatz mit V+E am Sportpark zu fahren. Es sind ja nur 9 km. Dies waren aber 18 km zuviel, denn der Stellplatz ist noch wegen Corona geschlossen. Trotzdem stehen drei Wohnmobile dort herum. Der überall als „ruhig“ beschriebene Stellplatz liegt in der Einfahrt zu einem Einkaufszentrum und gefällt uns nicht. Dillenburg selbst, so scheint es uns auf den ersten Blick, könnte ganz schön sein. Auf jeden Fall wenden wir und fahren wieder nach Herborn zurück. Unser Stellplatz ist mittlerweile von einem Dauerwechsler belegt. Wir stellen uns einfach längs neben die letzte der fünf belegbaren Plätze (Corona-Abstand).
Gegen Abend starten wir nochmals einen Spaziergang durch Herborns Altstadt. Jetzt ist aber auch wirklich alles abgesperrt und die Rolläden unten. Wir drehen um und erklären die Tagesexkursionen für beendet.
Ab dem Spätnachmittag entwickelt sich der Großparkplatz zum Treffpunkt für aufgemotzte Autos. Wir übertönen dies am Abend mit unserer eigenen bretonischen Musik und träumen von einem Frankreich-Urlaub. Irgendwann sind die Jungs aber auch weg und wir haben eine ruhige Nacht.
Tagesstrecke: 43 km (davon 18 km umsonst)
Sonntag, 17. 05.2020
Da wir uns auf jeden Fall Dillenburg anschauen wollen, fahren wir nach dem Frühstück los. Unser Ziel ist wieder der Stellplatz von Dillenburg. Hierfür umfahren wir die Stadt weiträumig unter Nutzung eines Tunnels. Heute ist das Absperrband verschwunden.
Bis zum Beginn der Altstadt sind es nur ca. 500 m. Anhand der vielen orange und blau leuchtenden Girlanden merkt man schon, dass wir uns in einer Oranierstadt befinden. Als wir den ersten Hinweis sehen, der uns hoch zum Schloß führt, entscheiden wir uns sofort für den Aufstieg. Noch sind wir fit. Es ist ganz schön beschwerlich.
Irgendwann im Aufstieg sehen wir eine Hinweistafel zu Ehren von Frau Catharina Helena Dörrien. Sie kam als Erzieherin nach Dillenburg und praktizierte eine Erziehung nach aufklärerischen Vorstellungen. Zum Beispiel vertrat sie die Auffassung, dass auch Mädchen eine grundlegende Bildung erhalten sollen.
Endlich erreichen wir das Burgplateau. Zuerst kommen wir zur „Villa Grün“. Die 1914/15 vom Gruben- und Hüttenbesitzer Carl Grün erbaute Villa beherbergt heute das wirtschaftsgeschichtliche Museum.
Vor uns steht der mächtige Wilhelmsturm und die Ruinen der Dillenburg, die Ende des 13. bis Anfang des 14. Jhdt. erbaut wurde. Dies war der Stammsitz des oranischen Zweiges vom Hause Nassau. Die einzelnen Gewerke sind auf Tafeln sehr gut beschrieben. Außerdem befindet sich hier oben auch der Einstieg zu den Verteidigungskassematten.
Beim Abstieg kommen wir noch einmal an der 1491 geweihten Johannis-Kirche vorbei. Hier befindet sich die Grablege der Vorfahren des Hauses Nassau-Oranien.
Wie man weiß, sind wir Liebhaber der regionalen und saisonalen Küche. :-)) Jamas
Ganz entspannt fahren wir nach einer ausgiebigen Mittagsruhe über den Westerwald nach Hause.
Tagesstrecke: 72 km