Was bringt mehr Kölner auf die Straße als ein Heimspiel des FC, natürlich „Arsch huh“ und der Karneval.
In einer Kölner Zeitung stand am Samstag in einer Kolumne sinngemäß: Da egal bei welcher Veranstaltung, ob Demo, Beerdigung oder Karneval die gleichen Protagonisten auftreten, besteht die Gefahr, dass die Sinnhaftigkeit der entsprechenden Veranstaltung verloren geht.
Freitag, 09.11.2012
Wir wollen heute zur Demo gegen Rassismus und Neonazis, d. h. zum „Arsch huh“-Konzert. Der SP in Köln ist zwar gut besucht, trotzdem finden wir noch einen Platz in vorderster Reihe, da dort kein Fernsehempfang ist (!).
Wir fahren mit der U-Bahn in die Stadt und wundern uns über das große Polizeiaufgebot. Es wird doch nicht wegen uns sein? Nee, Köln spielt heute Abend gegen die Zebras aus Duisburg. Wir spazieren durch die Altstadt zur Deutzer Brücke und rüber zur Deutzer Werft. Dort auf dem großen Festplatz startet um 17.15 Uhr das Konzert. Wir sind schon kurz nach 16.00 Uhr dort und reihen uns in die zur Bühne strebenden Leute ein. Am Eingang spielt eine Multi-Kulti-Schüler-Percussion-Formation (Was für ein Wortgebilde.).
Mit was beginnt in Köln eine Veranstaltung, egal welcher Art: mit Karnevalsmusikcorps!
Und jetzt ging es Schlag auf Schlag. Wir erlebten bis 23.30 Uhr (sechs Stunden) ein Programm ohne Pausen. Kölner Bands, Kabarettisten, Schriftsteller (Frank Schätzing und Elke Heidenreich), Schauspieler (Marielle Millowitsch und Dietmar Bär), der Kölner OB (der ausgelacht wurde, weil er vom Manuskript ablas) und Videos aus den Kölner Brennpunkten sorgten für ein kurzweiliges Programm. Besonders hervor zu heben ist, dass die gesamte Veranstaltung inklusive der Liedtexte simultan in die Gebärdensprache übersetzt wurde. Dabei legten die Übersetzerinnen sogar Wert darauf, dass dies im Rythmus der Musik passierte. Hier ein besonderes Lob dafür!
Wir standen noch fast direkt vor der Bühne, doch im Laufe der Veranstaltung wurde die Teilnehmerzahl zu der kostenlosen Veranstaltung immer mehr nach oben korrigiert. Zum Schluß waren es fast 80.000 Teilnehmer. In den hinteren Bereichen waren in Abständen große LED-Leinwände aufgestellt.
Samstag, 10.11.2012
Wir fahren wieder nach Köln hinein und können gerade noch eine Lesung einer palästinensichen Schriftstellerin mitmachen, die uns einmal die Not der palästinensichen Bevölkerung und die Siedlungspolitik Israels aus ihrer Sicht erklärt. Dort sind Dörfer vollkommen abgeriegelt und die israelische Armee lässt die Einwohner nur zweimal am Tag für eine Stunde aus ihrer Umklammerung raus.
Außerdem durfte der Ehemann der Schriftstellerin, Frau Farhat-Naser, seine Frau nicht zu einer Augenoperation nach Jerusalem begleiten. Ein über 70-jähriger Mann ist ein zu großes Sicherheitsproblem.
Wir laufen noch ein wenig durch die Stadt. Und da wir festgestellt haben, dass morgen der 11.11. und somit Karnevals-Eröffnung ist, fahren wir nicht nach Andernach weiter, sondern bleiben hier. Beide möchten wir uns so etwas mal antun.
Selbst bei den Sound-Checks für morgen stehen die Kölner schon auf dem Heumarkt, schunkeln und singen mit.
Direkt neben dran ist ein Kaufhaus mit ausschließlich Karnevals-Equipment. Hier stehen die Kölner auch nicht für Lebensmittel Schlange. Nee. die wollen mal anders aussehen.
Vielleicht so wie Tünnes und Schäl. Hier bei einer speziellen Stadtführung.
Sonntag, 11.11.2012
Heute ist der höchste Feiertag für alle Jecken. Ein ganzes Jahr haben sie darauf gewartet. Die gesamte Altstadt ist schon ab 10.00 Uhr voll, nicht nur an Jecken.
Alles strebt zum Heumarkt und der dortigen feierlichen Eröffnung der 5. Jahreszeit. Doch schon lange vor elf Uhr geht dort gar nichts mehr. Mittlerweile drängeln sich am Heumarkt und direkter Umgebung 70.000 Karnevalisten. Die Polizei teilt bereits per Lautsprecher mit, dass ein weiteres Vordringen keinen Zweck mehr hat.
Für Flaschenpfandsammler ist Hochkonjunktur. Es werden von Familien bereits Stützpunkte eingerichtet um die vollen Tüten zwischenzulagern.
Noch ist es auf den Rheinschiffen ruhig, doch gleich beginnt auch dort die Party.
Im gesamten Gebiet der Altstadt herrscht Partystimmung. Damit sich der gesamte Trubel ein wenig entschärft, wurde in diesem Jahr zeitgleich das erste Samba-Festival in Köln durchgeführt. Zwanzig Sambagruppen rotierten auf den Plätzen der Altstadt und unterhielten die Jecken.
Dass Kirche und Karneval zusammen gehören, zeigt eine Guggemusikgruppe auf den Domtreppen.
Nach zweieinhalb Tagen Stehen und Herumlaufen, aber auch bis auf den Samstagabend bei traumhaftem Wetter, reicht es uns, und wir fahren am Nachmittag gut gelaunt wieder nach Hause.